Der Acker als Oase der Selbstfindung

 

Es ist Dienstagmorgen und ich lege eine alte Zeitung in meinen Korb, dazu noch ein kleines Küchenmesser. Gleich soll es mit dem Fahrrad übers Feld zum Acker gehen! Ab dem Frühjahr konnte ich von den "Ackerhelden" ein kleines Stückchen Land für eine Saison pachten. Nun also auf zur Heldenmission mit Sonnenhut!

Als ich ankomme, sehe ich schon einige Störche im nahen Feld nach Nahrung suchen, über mir ziehen Greifvögel ihre Runden. Zunächst organisiere ich mir eine große Hacke aus dem Geräteraum, der hier sinnigerweise "Rechenzentrum" heißt. Die ersten Ackerhelden sind derweil schon im Einsatz. Mit grünen und orangenen Gießkannen bewaffnet werden eifrig die gesetzten Bio-Pflänzchen gegossen. Auch einen Blühstreifen mit bunten Blumen für Biene, Hummel und Co. gibt es. Die blauen Kornblumen werden gerade eifrig angeflogen.

Ach, wie wunderbar ist es doch, sich in diesen neuen unsicheren Zeiten auf ein übersichtliches Terrain zu begeben, dieses zu bewirtschaften und dann auch ordentlich ernten zu können!

 

 

Ganz glücklich gehe ich zuerst meine kleine Parzelle ab, erkunde, was in den letzten 2,3 Tagen herangewachsen ist. Tatsächlich entdecke ich eine kleine Zucchini, die nun plötzlich reif ist. Sogar an der Peperoni-Pflanze leuchtet mir eine erste dunkelrote Schote entgegen. Doch zunächst muss gehackt werden, damit der Boden das Wasser besser aufnehmen und halten kann. All diese Tipps habe ich den Mails der Ackerheldenzentrale entnommen, die ich als "Städterin" und neue Biogärtnerin zugesandt bekam.

Ganz schön anstregend mit der Hacke den Boden aufzulockern! Schon morgens um 8 Uhr läuft mir der Schweiß von der Stirn, denn eigentlich ist es schon spät. Der richtige Gärtner ist früher dran. Doch bin ich hier ja nicht auf der Suche nach Optimierungspotentialen, sondern möchte abschalten und mich wieder "erden" und mit meinen eigenen Händen etwas bearbeiten.

So ist natürlich auch Zeit für ein kleines Gespräch mit meiner Parzellennachbarin, die sich mit einigen Freundinnen zusammen ein Fleckchen Erde gepachtet hat, einfach als Ausgleich zur täglichen Arbeit, erzählt sie mir.

Nach dem Austausch kleiner Anbautipps gehen wir wieder inspiriert ans Werk. Der krustige Ackerboden wird wieder mit der Hacke aufgelockert, Unkraut als biologisches Düngemittel wieder untergegraben. Durch die gleichmäßige Bewegung bei der Arbeit kommt mein unruhiger Geist zur Ruhe. Jetzt bin ich ganz bei mir, vergesse meine Umgebung, ja, es fühlt sich wie ein kleiner Flow an, bei der die Zeit vergessen wird.

Na, hoppla - schon 9 Uhr! Jetzt aber wässern. Gegenüber erklärt gerade eine junge Mutter ihrer 4-jährigen Tochter, wie sie am besten die Pflanzen gießt, ohne dass die Blätter zu sehr nass werden.

Für die heimatliche Küche hole ich noch einiges an Gemüse aus dem Beet. Dafür brauche ich jetzt das kleine Küchenmesser, um die Frucht abzuschneiden. Die kleine Ernte lege ich ihn den mit Zeitungspapier ausgelegten Korb. Meine ersten Zucchinis sind zwar etwas klein und krumm, dafür aber selbst gezogen und als Biogemüse sehr gesund. Stolz und zufrieden radle ich nach Hause.

 

Passagen aus einem Text von: Beate Deister